Wer im Familienkreis auf einer Baustelle zur Hand geht, handelt auch auf eigene Gefahr.
Eine Frau besuchte ihre Schwägerin zu Hause. Bei ihrem Eintreffen war ihre Schwägerin mit der Sanierung ihres Wohnhauses beschäftigt. Sie stand in einem Graben an der Hauswand und befestigte Styroporplatten an ihrer Kellerwand. Die Frau stieg zu ihrer Schwägerin in den Graben und reichte ihr weitere Styroporplatten an. Als die Frau später in Abwesenheit ihrer Schwägerin selbst eine Styroporplatte auf eine aus dem Erdreich in das Haus geführte Stromversorgungsleitung drückte, kam es zu einem Kurzschluss. Hierbei erlitt sie einen Stromschlag und schwere Verbrennungen. Vor dem LG verlangte die Frau von ihrer Schwägerin Schadenersatz für ihre Verletzungen sowie Ersatz für Behandlungskosten, Verdienstausfall und Ersatz für die Zeit, die sie ihren Haushalt nicht führen konnte. Sie warf ihrer Schwägerin vor, dass sie das Stromkabel nicht ausreichend abgesichert habe und sie auch nicht auf die drohende Gefahr hingewiesen habe. Hiergegen wehrte sich die Schwägerin der Frau. Sie meint, dass ihre Besucherin ihr wie eine Mitarbeiterin geholfen habe. Für ihren „Arbeitsunfall“ müsse sie daher nicht persönlich haften.
Das LG folgte den Argumenten der Schwägerin nicht. Die Hilfe der Frau könne nicht mit der Tätigkeit für einen Unternehmer verglichen werden. Es handelte sich nach Auffassung des Richters um „eine freiwillige Unterstützungshandlung im Rahmen eines engen familiären Verhältnisses ohne jegliche materiellen Vorteile für die Klägerin, die völlig ungezwungen anlässlich der Unterhaltung mit der Beklagten versuchte, sich ein wenig nützlich zu machen, ohne sich dabei einem bestimmten, von der Beklagten vorgegebenen Ablauf unterzuordnen.“. Zudem habe die Schwägerin es versäumt, ihren Besuch vor den Gefahren ihres Grundstücks zu bewahren. Daher müsse sie ihrem Besuch grundsätzlich auch dessen Schaden ersetzen. Denn es sei aufgrund des gerichtlich festgestellten Ablaufs zu vermuten, dass die Ummantelung des Stromkabels schadhaft gewesen sei und es die Schwägerin versäumt habe, dessen Zustand zu überprüfen. Die Frau treffe aber eine Mitschuld. Sie habe den Graben freiwillig betreten und sich bei ihrer Mitarbeit auf einer Baustelle bewusst einem Risiko ausgesetzt. Zudem habe sie erkennen können, dass das Stromkabel nur behelfsmäßig freigelegt war. Im Ergebnis könne sie daher nur 50 % ihres Schadens ersetzt bekommen. (LG Lübeck, Urt. v. 23.08.2023 – 6 O 161/22 vom 23.08.2023; nrkr.)